Als die D-Mark im Lada nach Beeskow kam

Beeskow #Zählen-D-MarkZwischen dem Mauerfall am 9. November 1989, der Währungsunion mit der Einführung der D-Mark am 1. Juli 1990 und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 5. Oktober 1990 lagen gerade elf Monate, für die Bürger der DDR aber eine Ewigkeit im Schnelldurchlauf.

In dieser Zeit leistete die Sparkasse Krefeld „Aufbauhilfe Ost“ für die Kreissparkasse in Krefelds DDR-Partnerkreis Beeskow. Vorstand der Kreissparkasse war damals Paul Hünemörder, 45 Jahre alt und seit 1979 im Amt. Der gebürtige Mecklenburger glaubte, „seine“ DDR in- und auswendig zu kennen, sagte Hünemörder später in einem Gespräch mit der Mitarbeiterzeitschrift der Sparkasse Krefeld. Als gelernter Handelskaufmann hatte er die Fachschule Ökonomie besucht und an der Hochschule die sozialistische Staats- und Rechtslehre studiert. Nach der wilden Wendezeit war nichts mehr wie zuvor.

Beeskow #Hünemörder-Paul-02„Das muss man mitgemacht haben“

Sparkassenvorstand Hünemörder bezeichnete die Veränderungen seinerzeit als „schwer fassbar“. Sicher war da eine hochgradige Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen Verhältnissen. „Veränderungen aus ökonomischer Sicht standen permanent auf der Tagesordnung.“ Die anschwellende Massenbewegung indes und der daraus erwachsende Veränderungswille kamen überraschend.

Selbst im idyllischen Landkreis Beeskow, eigentlich Provinz, in der man sich mit den sozialistischen Verhältnissen arrangiert hatte, so gut es ging – selbst hier sprang der Funke sofort über. Die Menschen fuhren zur Kundgebung nach Frankfurt/Oder. „Ich hatte den Eindruck, da ist keiner zu Hause geblieben. Um die Stimmung zu begreifen, muss man das mitgemacht haben.“

Beeskow-03Ein historischer Tag

Der 1. Juli 1990 wird den Menschen in der früheren DDR wohl lange, vielleicht auf ewig im Gedächtnis haften. Es war der Tag der Währungsunion, als die D-Mark auch im Osten Deutschlands offizielles Zahlungsmittel wurde. Bereits in den Wochen zuvor dampfte es in der Gerüchteküche der Medien, die fortlaufend neue Parolen produzierten. Ständig wurden neue Höchstsummen oder Relationen für den Umtausch ins Spiel gebracht, erinnerte sich Beeskows Sparkassenvorstand Hünemörder. „Je nachdem was gerade aktuell war, disponierten unsere Bürger entsprechend. Das verursachte viel Arbeit.“

Dann die unmittelbaren Vorbereitungen: Für jeden Bürger galt es, ein Konto einzurichten. Und schließlich der Tag X, der 1. Juli. Ab fünf Uhr früh standen die Leute an diesem Sonntag Schlange. Um acht sollten die Schalter öffnen, die Kreissparkasse kapituIierte schon um halb acht. Obwohl zusätzliche Kräfte für diesen Tag eingestellt worden waren und Ordner die Kunden nur schubweise einließen, war es für alle ein unglaublich harter Job. Bis abends, 20.30 Uhr, wurden die Barschecks eingelöst, keine Schichten, in einem durch. An den nächsten Tagen setzte sich der Run fort.

Beeskow #Zählen-Handelserlöse-NachtErinnerungen des Sparkassenvorstands

In einem Gespräch mit der Märkischen Oder-Zeitung erinnerte sich Paul Hünemörder, immer noch Vorstand der inzwischen allerdings deutlich größer gewordenen Sparkasse Oder-Spree, auf den Tag genau 15 Jahre nach der Währungsunion an dieses historische Ereignis.

Wiederkehrende Zahlungen wie Renten und Gehälter wurden im Verhältnis 1:1 umgetauscht. Bei Bargeld und Bankguthaben wurde so verfahren: 1:1 konnten Kinder unter 14 Jahren 2000 DDR-Mark umtauschen, 15- bis 59-Jährige bis zu 4000 DDR-Mark, wer zum Stichtag älter war, 6000 DDR-Mark. Darüber hinaus gehende Beiträge wurden 2:1 umgestellt.

Fast 50.000 Konten mussten damals in Beeskow umgestellt und um die 400 Millionen D-Mark getauscht werden. „Wir waren alle sehr aufgeregt, denn bis zur letzten Minute gab es noch Unklarheiten.“ Er erinnerte sich an „wahnsinnige Kontobewegungen“, weil jeder ein eigenes Konto haben und auch seinen Sparstrumpf für den Umtausch bis zum 30. Juni auf die Bank bringen musste. „Wochenlang gab es nur Schlangen, Schlangen, Schlangen.“

Aus den 20er Jahren stand in der Sparkasse in Beeskow ein alter, gleichwohl stabiler Tresor mit einem großen Fassungsvermögen. „Wir haben sogar das ganze Ost-Geld aus Eisenhüttenstadt hier eingelagert. Das musste ja nach dem Umtausch ordentlich entsorgt werden“, erzählte Hünemörder. Das „gute Geld“ brachte die Bundesbank erst kurz vor dem Tag der Währungsunion. „Es war wie im Film. Das Geld kam im gepanzerten Fahrzeug und unter Bewachung.“

Beeskow #LandratsamtDer eigentliche Tag der Währungsunion, der 1. Juli 1990, war ein Sonntag. Am Montag danach konnten die DDR-Bürger nur noch mit der harten Westwährung einkaufen, die Ostmark war über Nacht wertlos geworden. Deshalb wurde am Wochenende zunächst ein Abschlag über 400 DM ausgezahlt. „Die Leute mussten ja am Montag früh ihre Brötchen kaufen oder mit dem Bus fahren können, denn die Konten waren nicht gleich verfügbar.“ Erst ab 9. Juli trat eine Normalisierung ein.

In seinem Lada, so Hünemörder, habe er vier Millionen D-Mark von Frankfurt (Oder) nach Beeskow transportiert – ganz allein. In den ersten Tagen nach der Währungsunion sei das Geld immer knapp gewesen. Also musste ständig Nachschub herangeschafft werden.

„Ich habe in Frankfurt (Oder) gewohnt und bin nach Voranmeldung gegen halb sieben morgens zur Bundesbank gefahren, um Geld zu holen. Dort hat mich ein gewisser Herr Grasmann empfangen. Der wird mir immer in Erinnerung bleiben, wie er mit aufgekrempelten Ärmeln couragiert das Geld in mein Auto lud.“

Auf seiner unbewachten Fahrt von Frankfurt (Oder) nach Beeskow habe er immer an seinen Vorgänger Friedrich Kaminski denken müssen, der ihm oft erzählt habe, wie er als Lehrling Geldtransporte mit dem Fahrrad gemacht habe. In der Erinnerung bleibt „eine wahnsinnige Aufbruchstimmung und eine große Solidarität unter den Leuten.“

Fotos: Bildarchiv der Sparkasse Krefeld

 

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