Blick ins Nachbarland: Radeln nach Zahlen

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Radler-Paradies Krefeld und Umgebung
radeln-P1020271Der Niederrhein ist Fahrradland. Für den Krefelder Freizeitradler beginnt dieses Paradies bereits gleich außerhalb der Innenstadt. Denn wenn man diesen Vorhof zur Radler-Hölle einmal hinter sich gelassen hat, radelt man über Wald- und Feldwege, gut vernetzte Wirtschaftswege und wenig befahrene Straßen genussvoll durch die meist topfebene Landschaft. Nur gelegentliche Erhebungen wie der Egelsberg, der Hülser Berg oder der Achterberg erfordern etwas Kraft und Kondition.

In einer kleinen Broschüre (oder als Download auf der offiziellen Krefeld-Seite http://www.krefeld.de) rühmt die Stadt die Attraktivität einiger Radrouten völlig zu Recht und gibt interessante Informationen zu einzelnen Highlights. Beispielsweise wird die Route R3 beschrieben:

Bei der großen Zahl attraktiver Fahrradstrecken in und um Krefeld zeigt die südliche Radroute R3 die Vielfalt der Stadt Krefeld. Über angenehme 32 Kilometer, teilweise unbefestigt, führt die Route durch schattige Waldabschnitte, entlang des Erholungs- und Freizeit-Gebiets Elfrather See hinauf zur Egelsberger Mühle. Raps-, Getreidefelder und von Kopfweiden gesäumte Wiesen bieten niederrheinische Landschaft pur. Nach etwa zweidrittel der Strecke lädt der historische Ortskern Hüls zu einer Pause ein. Der letzte Streckenabschnitt ist mit dem Stadtwald, der Galopprennbahn, dem großen Biergarten am Stadtwaldhaus und den Mies van der Rohe Häusern Esters und Lange reich an Höhepunkten.

Auch die Route R4 lohnt sich:

Neben schönen Abschnitten typisch niederrheinischer Landschaft bietet die nördliche Route R4 einen interessanten Mix. Von der mittelalterlichen Burg Linn über den Industriehafen Uerdingen, historische Park- und Gartenanlagen bis zum Krefelder Zoo ist die 30 Kilometer lange Strecke besonders abwechslungsreich. In Linn ist neben der Burg der historische Ortskern einen Abstecher wert. In den Cafés und Restaurants sind Fahrradfahrer herzlich willkommen.

radeln-P1020268Die Ausschilderung der Krefelder Routen (grünes R mit Ziffer auf weißem Täfelchen) scheint auf den ersten Blick narrensicher. Verunsichert wird ein ortsunkundiger Radler jedoch nicht selten an Abzweigungen und Kreuzungen durch einen Schilderwald von „konkurrierenden“ Radwanderwegen, sei es durch die Niederrheinroute, den Grafschafter Radwanderweg, die Schwalm-Nette-Route, die Niers-Route oder die mit gelbem Kreuz auf blauem Grund ausgezeichnete Euroga-Route.

Ohne vernünftiges Kartenwerk oder GPS-Navi steht der weniger ambitionierte Hobby-Radwanderer angesichts dieser Gemengelage dann oft wie der sprichwörtliche Ochs vorm Berg. Dass es auch ganz anders geht, zeigt der Blick ins Nachbarland.

radeln-P1000961U nadert knooppunt
Die Tourismusplaner in Limburg (wie auch sonst in Holland) bieten Radtouristen ein Orientierungssystem, das 68 Routen umfasst, aus Radknotenpunkten – jeder mit eigener Kennzahl – geknüpft ist und damit spontanes, flexibles Radeln ohne eigene Orientierungsmittel erlaubt. Teilstrecken in diesem Radwegenetz sind numerisch einheitlich und damit eindeutig ausgeschildert. Dabei ist es völlig gleichgültig, wo man seine Radtour startet: Das Radeln nach Zahlen weist den rechten Weg. Immer.

An den sogenannten „knooppunts“ stehen Übersichtstafeln, an denen man sich für den nächsten Knotenpunkt, will meinen: Streckenabschnitt entscheiden kann, bis es wieder heißt: „U nadert knooppunt.“ Sie nähern sich dem Knotenpunkt. Wer eine bestimmte Strecke fahren möchte, kann sich bereits vor Tourbeginn im Internet (www.lustauflimburg.de) auch die Zahlenfolge der anzusteuernden Knotenpunkte notieren: beispielsweise 63, 55, 70, 56, 91, 92, 93, 94, 63 für die Maas-Route rund um Arcen.

Wenn der Radler der gut sichtbar platzierten und gepflegten Beschilderung konsequent folgt, wird er automatisch an allen Sehenswürdigkeiten vorbeigeführt, die die malerischen Städtchen entlang der Maas wie z.B. Stevensweert oder die „Weiße Stadt“ Thorn bieten, die kleinen Fähren genauso wie Museen oder Restaurants.

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Kirchturmdenken am Niederrhein
Dieses System funktioniert, weil alle Städte und Gemeinden in Limburg, Venlo genauso wie Roermond, sich ein- und unterordnen, auf eigene Routen verzichten und die Knotenpunktsystematik sogar grenzübergreifend in Belgien beibehalten wird. Nur an der deutschen Grenze ist Schluss mit lustig. Da wurstelt jeder Kreis, manchmal sogar jede Stadt mit einer eigenen Routenbeschilderung herum – obwohl wir doch alle Niederrhein sind. Irgendwie.

radeln-P1020276Anders als bei den Niederländern, denen ja eigentlich ein ausgeprägter Hang zum Individualismus nachgesagt wird, scheint es bei uns am linken Niederrhein, also in Krefeld und Mönchengladbach sowie den Kreisen Viersen, Kleve und Wesel schier unmöglich, sich auf eine einheitliche Systematik zum Nutzen der Radtouristen, der einheimischen wie auch der auswärtigen, zu einigen. Ganz zu schweigen von anderen touristischen Geschäftsfeldern oder erst recht von der Einbindung weiterer niederrheinischer Städte wie Neuss oder Düsseldorf.

Wie es um Identität, Selbstverständnis und Gemeinschaftssinn der Niederrheiner im allgemeinen und der Krefelder insbesondere bestellt ist, belegt der Rückzug der Stadt Krefeld aus der Niederrhein Tourismus GmbH (www.niederrhein-tourismus.de) zum Jahresende. Eine weitere freie Mitgliedschaft in der Gesellschaft, die Städte übergreifend über Freizeitmöglichkeiten am Niederrhein informiert und diese bewirbt, würde rund 50.000 Euro kosten.

Das kann natürlich viel, zu viel sein, wenn das Geld dilettantisch versenkt wird – oder aber wenig und gut angelegt, wenn es professionell und identitätsstiftend eingesetzt wird, um dem Fahrradland und der Tourismusregion Niederrhein ein klares Profil zu geben.

Am Denken und Handeln über den eigenen Kirchturm hinaus jedoch hapert es – nicht nur, aber vor allem in Krefeld.

Bilder: Peter Bauland

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